Interview mit Projektverantwortlichen zum Thema Auflastung und Lagerplatzverwaltung
(Köthen/M. Rothe) Vor geraumer Zeit stemmte der Kranbau Köthen ein größeres Umbauprojekt im Chemiepark Leuna. Die InfraLeuna GmbH sind nicht nur Eigentümer, sondern auch Betreiber der Infrastruktureinrichtungen am Chemie-Standort Leuna. Betreut wurde dieses Mammut-Projekt durch den in Köthen für Umbauten verantwortlichen Projektmanager Andreas Peters, der uns in einem Gespräch einen sehr anschaulichen Einblick in dieses Vorhaben gewährt hat.
Rothe: Mit welcher Problemstellung kam der Kunde zu uns?
Peters: InfraLeuna kam mit der Anfrage zu uns, einen Container-Portalkran zu modernisieren bzw. umzurüsten und auf den neusten Stand der Technik zu bringen. Ziel war die Einrichtung eines modernen Chemielagerplatzes mit Lagerplatzverwaltung. Da kam die Fragestellung auf, ob es denn technisch möglich sei den alten (nicht mehr betriebsfähigen) Kran von 1976 umzurüsten und mit neuen Parametern aufzurüsten. Besondere Herausforderung war dabei die Auflastung bis auf 50t Nutzlast, da der Portalkran ursprünglich eigentlich nur für 32t gebaut wurde. Das ist prozentual gesehen eine ziemlich große Auflastung. Allein der neue Spreader hat bspw. bereits ein Gewicht von 14t.
Rothe: Kranbau Köthen wäre nicht der Spezialist im Sonderkranbau, wenn die Mitarbeiter dafür keine Lösung parat hätten. Wie sah denn unsere kundenspezifische Lösung aus?
Peters: Zum einen war von vornherein klar, dass das Projekt nur realisierbar ist, wenn an richtigen Stellen das Tragwerk verstärkt wird. Andererseits verständigte man sich auf eine Ausrüstung mit neuer Laufkatze, Hubwerk und Container-Spreader sowie eine neue Kran-Steuerung. Im Zuge dieser Sanierung stellte man überdies fest, dass es auch noch neue Fahrantriebe braucht, sodass es sich letztlich um eine Komplett-Sanierung des alten Container-Portalkranes handelte.
Abb. 1: Der Container-Portalkran in Leuna nach der Modernisierung
Rothe: In welchem Zeitraum lief das Projekt von Auftragsvergabe bis zur finalen Umsetzung?
Peters: Mit der Projekt-Planung haben wir im Sommer 2014 begonnen, wobei im Dezember 2014 die offizielle Auftragsvergabe durch InfraLeuna erfolgte. Im darauffolgenden Januar startete die Konstruktion und ab Juni waren die Kollegen vor Ort mit der dreimonatigen Montage beschäftigt.
Rothe: Wie gestaltet sich ein solcher Umbau konkret und welche Spezifikationen stehen dahinter?
Peters: Die ersten Projektphasen beinhalteten neben verschiedenen Angebots-Kalkulationen ein vollumfängliches Engineering des Umbaus inkl. Basic- und Detaildesign, Vermessen des Kranes auf der Baustelle sowie die Demontage der nicht mehr benötigten Teile aus der Elektrik und Mechanik. Danach bestand eine der wesentlichen Aufgaben in der Verstärkung und Modifizierung der Kastenträger sowie Stützen. Diese wurden natürlich mit einem Korrosionsschutz versehen, bevor es an den An-/Einbau der neu gelieferten Teile wie Katze und Spreader bis hin zur Ausrüstung mit komplett neuer Elektrik inklusive Pendeldämpfung ging. Dabei erfolgte unter anderem auch die Montage der Kranfahrantriebe inklusive der Anpassung von Stahlbauteilen sowie der Motorleitungstrommel, die für die Kraneinspeisung benötigt wird. Das Besondere: hier konnten wir einen alten Kontakt von früher aufleben lassen - die GTL Getriebe und Sondergetriebe. GTL fertigt Getriebe nach Wunsch an und baut Alt-Getriebe (wie in unserem Fall) auch nach. Nach Abschluss der Montage und Installation der Krananlage fand eine gemeinsame Abnahme mit Kransachverständigen von Kranbau Köthen und den Ansprechpartnern von InfraLeuna statt, wo alles fein säuberlich vermessen und dokumentiert wurde.
Abb. 2: Eindruck vom alten Container-Portalkran auf Baustelle in Leuna
Rothe: Und wie lief die Umsetzung – gab es spezielle Hindernisse zu überwinden?
Peters: Es ist eine ganz besondere Herausforderung eine Auflastung umzusetzen und dabei die Kranträger zu verstärken ohne sie aufzuschneiden. Dafür muss man sich zunächst eine Übersicht verschaffen wie man das Tragwerk anderweitig verstärken kann. Letztlich haben wir uns neben dem Anbringen von U-Profilen dafür entschieden oben und unten am Steg je einen halben Träger zusätzlich anzuschweißen. Durch diese Verlängerung der Steghöhe entsteht auf Seiten der Lastvergrößerung mehr Steifheit. Für diese Vor-Ort-Arbeiten auf der Baustelle braucht es allerdings besonders erfahrene und vor allem schwindelfreie Schweißer. Aber auch diese luftigen Hürden haben die Kollegen erfolgreich genommen. Außerdem haben wir es hier mit einem schmalen Kran mit schmaler Brücke zu tun. Das heißt, kleine 20-Fuß-Container passen zwar quer durch, die größeren 40-Fuß-Container jedoch nicht. So braucht es elektronische Verriegelungen zur Abschätzung welche Art von Container gerade gehoben wird. Die Herausforderung hierbei war, eine solche elektronische Bedienung zu schaffen, dass alle Container-Formate gehoben und transportiert werden können.
Rothe: Gab es weitere spezielle Vorgaben vom Kunden oder Besonderheiten zu beachten?
Peters: Ja. Eine Vorgabe vom Kunden war zum Beispiel große Bremsscheiben an der Hubtrommel, so genannte Nothaltezangen, anzubringen. Diese sind überall dort vorgeschrieben, wo gefährliche Stoffe transportiert werden (vor allem beim Arbeiten mit feuerflüssigen Massen) um im Falle eines Motor- oder Getriebeausfalls - sprich: einer Havarie - das Herunterstürzen der Last zu vermeiden. Eine weitere interessante Besonderheit, die wir bei dem Kran hier im Rahmen der Lagerplatzverwaltung vorfinden, ist das Symeo-Lasersystem zur Definition der Position der Container-Spreader auf der Kranbahn. Denn die Symeo-Anlagen (mit 10 Ghz Spannung) müssen in einer Position über 2m angebracht werden, um die Datenübertagung zur Lagerplatzverwaltung nicht auf Kopfhöhe stattfinden zu lassen, was ja für in der Nähe befindliche Personen nicht unbedingt gesundheitsfördernd wäre.
Rothe: Das kann ich mir gut vorstellen. Erläutern Sie bitte kurz die Vorteile des Umbaus für den Kunden im täglichen Unternehmensprozess.
Peters: Neben den Kernaufgaben, die Erhöhung der Traglast und Anpassung an heutige Sicherheitsstandards, stellt sich die Einrichtung einer laufenden Lagerplatzverwaltung als ein klarer Vorteil im Alltagsgeschäft des Chemieparks dar. Neben der vollumfänglichen Kransanierung wurde die Kranbauer E-Technik (damals noch Tochterfirma Alpha Elektronik) mit der Installation eines Lagerplatzverwaltungssystems beauftragt. Dieser Lagerplatz wurde komplett neu hergerichtet - das heißt ausgekoffert und betoniert, mit neuen Auffangsystemen für Chemikalien und Brandschutzwände zur Lagerung verschiedener Gefahrstoffklassen ausgestattet. Das alles mit dem Ziel, über die Leitzentrale im Zusammenspiel mit dem Kran die Gefahrstoffe logistisch zu verwalten.
Abb. 3: Der Container-Portalkran mit Lagerplatzverwaltung bei Abnahme
Rothe: Das klingt nach einem sehr spannenden, vielschichtigen Projekt. Wie viele Mitarbeiter waren denn an dem Umbau beteiligt?
Peters: Mit dem gesamten Prozess des Engineering waren 1,5 Personen ca. drei Monate (500-600h) beschäftigt. Für die Schweißarbeiten wurden ca. vier erfahrene Mitarbeiter eingesetzt und zur Montage war der Bauleiter immer mit zwei bis drei Mitarbeitern vor Ort.
Rothe: Können wir Angaben zur Investitionshöhe machen?
Peters: Da höhere Neuinvestitionen in der Regel nicht so schnell frei gegeben werden, entschied man sich hier für eine (kostenintensive) Modernisierung. Diese belief sich bei einem Budget von ca. 1,2 – 1,3 Mio. EUR.
Rothe: Und zum Abschluss noch eine Frage - was können wir zur Kundenzufriedenheit sagen?
Peters: Der Kunde ist bis heute sehr zufrieden. Nur eine alte Hydraulikanlage für den Einsatz der Schienenzangen hat im Nachhinein noch ein bisschen Überholungsbedarf gehabt. Es gab damals wie bereits erwähnt ja auch gleich noch einen Zweitauftrag für die Lagerplatzverwaltung am Chemiestandort, der gemeinsam mit der hauseigenen Kranbauer E-Technik umgesetzt wurde.
Rothe: Herzlichen Dank für das interessante Gespräch und den umfassenden Einblick in dieses Umbauprojekt!
Zahlen, Daten, Fakten
- Bezeichnung: Umbau eines Container-Portalkran von 1976
- Parameter: 50t x 40m
- Kunde: InfraLeuna GmbH
- Land: Deutschland
- Umsetzungszeitraum: 2014-2015
- Investitionshöhe: 1,2 – 1,3 Mio. EUR
- Spezifikationen: Auflastung von 32t auf 50t Traglast durch Verstärkung der Kastenträger und Stützen; Austausch der Alt-Teile wie Katze, Spreader und Fahrantriebe sowie Einrichtung komplett neuer Elektrik und Lagerplatzverwaltung
Über die Kranbau Köthen GmbH
Die Kranbau Köthen GmbH ist auf Sonder-, Prozess- und Automatikkrane spezialisiert. Am traditionsreichen Standort Köthen in Sachsen-Anhalt werden gemäß individueller Kundenvorgaben komplette Krananlagen als Brücken-, Halbportal- oder Vollportalkran geplant und gefertigt. Das Unternehmen greift auf mehr als acht Jahrzehnte Erfahrung zurück und zählt zu den führenden Kranbau-Herstellern in Europa.